Die Johanniterburg wird zur katholischen Kirche.
Die Umwandlung der alten Neckarelzer Burg in die katholische Pfarrkirche war ein Vorgang, der sich über mehrere Jahrzehnte erstreckte und erst im Mai 1737 endete. Zum besseren Verständnis ist die Vorgeschichte interessant: Im Jahre 1556 führte Kurfürst Ottheinrich in der gesamten Kurpfalz die Reformation ein. Mit Ausnahme der Zeit des Dreißigjährigen Krieges mussten sich die Untertanen zum evangelischen Glauben bekennen (überwiegend nach der reformierten Lehre von Calvin), und offiziell war kein katholischer Gottesdienst möglich. Die Martinskirche wurde die Kirche der reformierten Kirchengemeinde Neckarelz und Diedesheim.
Im Jahre 1685 starb der letzte reformierte Kurfürst kinderlos und sein Nachfolger wurde sein Verwandter Herzog Philipp Wilhelm aus dem katholischen Haus Pfalz-Neuburg. Durch Erlass vom 13. Oktober 1685 verkündete Philipp Wilhelm die völlige Religionsfreiheit für alle drei Konfessionen, für Calvinisten, Lutheraner und Katholiken. Nun konnten die Katholiken wieder ungehindert Gottesdienst feiern, doch wo war ein geeigneter Raum? Denn die Martinskirche war den Reformierten vorbehalten. Die Lösung war die Kapelle der ehemaligen Burg. In diesem notdürftig hergerichteten Sakralraum fand im Sommer 1685 wieder der erste katholische Gottesdienst statt.
Sein Nachfolger, Kurfürst Johann Wilhelm, führte im Oktober 1698 das sogenannte Simultaneum ein. Dies besagt, dass die bisher nur von den Reformierten benutzten Kirchen nun allen christlichen Konfessionen (Reformierte, Lutheraner und Katholiken) zur Verfügung gestellt wurden. In Neckarelz zog die katholische Gemeinde daraufhin am 30. November 1698 in feierlicher Prozession von der Kapelle im Tempelhaus in die Martinskirche und feierte dort die erste Messe. Von 1701 bis 1718 war übrigens Johann Georg Klüpfel Pfarrer in Neckarelz, der danach als Stadtpfarrer und Dekan in Mosbach wirkte. Ihm verdanken wir auch eine ausführliche Beschreibung der Vorgänge während der Rekatholisierung im Bezirk Mosbach.
Die gemeinsame Nutzung der Martinskirche durch die Reformierten und Katholiken führte zu zahlreichen Konflikten. Da die pfälzische Regierung die katholische Konfession unverhohlen bevorzugte, nutzten die Katholiken die neue Situation und nahmen rücksichtslos den Kirchenschlüssel und den Zugang zu den Kirchenglocken in Besitz. Der reformierte Pfarrer von Neckarelz musste sogar sein Pfarrhaus dem katholischen Amtsbruder überlassen.
Da das Simultaneum nicht nur in Neckarelz sondern in der gesamten Pfalz zu zahllosen Konflikten führte, setzte Kurfürst Johann Wilhelm eine Kommission ein, die im Jahre 1705 die pfälzische Religionsdeklaration erließ. Danach sollten die Kirchen und das gesamte Kirchenvermögen im Verhältnis 5 : 2 zwischen Reformierten und Katholiken aufgeteilt werden. (Die Minderheit der Lutheraner wurde bei dieser Teilung nicht berücksichtigt.) In Städten, wo nur eine Kirche zur Verfügung stand, musste diese so aufgeteilt werden, dass den Katholiken der Chor und den Reformierten das Kirchenschiff zufiel. (In Mosbach wurde diese Teilung 1708 durch Errichtung der Trennmauer endgültig.)
In Neckarelz wurde die Martinskirche den Reformierten zugesprochen, doch weigerten sich die Katholiken bis Oktober 1707, bis sie die Martinskirche zurück gaben. Am Sonntag, dem 9. Oktober 1707, war es endlich so weit, dass die katholische Gemeinde in feierlicher Prozession mit dem Allerheiligsten aus der Martinskirche in das Tempelhaus zog. Seit diesem Tag ist das Tempelhaus katholische Kirche von Neckarelz, aber nur die ehemalige Burgkapelle, die heute den Chor der Kirche bildet. Die Haupträume des Gebäudes dienten weiter als Scheune und Speicher für die landwirtschaftlichen Abgaben.
Man kann sich leicht vorstellen, dass die beengte Kapelle für die wachsende Zahl der Katholiken viel zu klein war. Die Pfarrei richtete daher wiederholt Bittbriefe an den Kurfürsten als Besitzer des Gebäudes, das ganze Tempelhaus zur Verfügung zu stellen. Erst 1731 wurde die Bitte erhört. Mit großer Begeisterung (und einem finanziellen Beitrag des Kurfürsten) machten sich die Katholiken in den nächsten Jahren an die Arbeit und bauten die Johanniterburg in eine barocke Dorfkirche um, so wie sie im Wesentlichen noch heute sich zeigt. Aber erst im Mai 1737 wurde sie vom Würzburger Weihbischof Johann Bernhard Meyer feierlich geweiht. Sie erhielt das Patrozinium "Mariä Himmelfahrt" (oder Aufnahme Mariens in den Himmel). An der Nordwand hängt heute noch das damalige Altarbild des barocken Hochaltars mit einer Darstellung der Himmelfahrt Mariens. Das Bild wurde geschaffen von dem Maler Leunenschloß und ist ein Geschenk des Würzburger Fürstbischofs Friedrich Karl von Schönborn.
Horst Uhl